21.4.05

Summen


Allmählich bemerkten wir es.
Ein Summen im Raum -
ein elektrisches Summen im Raum.
Es ging MMMMMMM

Wir folgten ihm von Ecke zu Ecke.
Wir legten unsere Ohren an die Wand.
Wir kreuzten diagonal den Raum.
Und tasteten mit den Händen auf dem Fußboden.
Es ging MMMMMMM

Manchmal war es ein Murmeln.
Manchmal wie ein Impuls.
Manchmal schien es zu verschwinden.
Aber dann, mit einer Vierteldrehung des Kopfes,
rollte es um das Sofa.

Wie eine summende graue Regenwolke.
MMMMMMM

Möglicherweise war es das Summen eines leisen Kühlschranks,
der kühlt für die große Nacht.
Möglicherweise war es das Summen von Stimmen unserer Eltern.
Vor langer Zeit, in weichem Licht.
MMMMMMM

Möglicherweise war es das Summen einer sich ändernden Meinung.
Oder eine Fremdsprache, im Gebet.
Möglicherweise war es das Mantra der Wände und Kabel.
Tief atmend in weicher Luft.
MMMMMMM

13.4.05

Reise # 1: Venedig


Ich sitze nackt am Fenster und streiche mit zitternden Fingern über den Marmor. Ich zucke kurz zusammen. Es fühlte sich für einen Moment so an, als ob sich Myriaden von Wespen unter der Hautoberfläche winden.
Aber das war nur eine Täuschung.
Meine Erregung oder das Opiat, das ich in Rotwein aufgelöst trinke, so wie es mir der Arzt vor Jahren empfahl, spielen mit mir Katz und Maus.
Venedig - hier wollte ich schon lange wieder hin!

6.4.05

Arbeit #2


Der Fischer und der Tourist
In einem Hafen liegt ein ärmlich gekleideter Fischer und döst.
Ein Tourist legt eben einen neuen Film in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, schwarze Fischermütze. Klick. Noch einmal: Klick. Und da aller guten Dinge drei sind und sicherer sicherer ist, ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet und träge nach einer Zigarettenschachtel angelt ...
"Sie werden heute einen guten Fang machen."
Kopfschütteln des Fischers.
"Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist."
Kopfnicken des Fischers.
"Sie werden also nicht ausfahren?"
Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Fragestellers ...
"Ich will mich ja nicht in Ihre persönliche Angelegenheiten mischen", sagt der Tourist zum Fischer, "aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht ein viertes Mal aus und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen fangen. Stellen Sie sich das mal vor!"
Der Fischer nickt.
"Und wenn Sie", fährt der Tourist fort, "nicht nur heute oder morgen, sondern an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren - wissen Sie, was geschehen würde?"
Der Fischer schüttelt den Kopf.
"Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, und damit würden Sie natürlich viel mehr fangen. Eines Tages würden Sie dann zwei Kutter haben, Sie würden ...", die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme, "Sie würden ein Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rumfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben. Sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann ...", wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache. Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen. "Und dann ...", sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem Kind, das sich verschluckt hat.
"Was dann?" fragt er leise.
"Dann", sagt der Fremde mit ehrfürchtiger, stiller Begeisterung, "dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen - und auf das herrliche Meer blicken."
"Aber das tu' ich ja schon jetzt", sagt der Fischer, "ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört."

Eigentlich von Heinrich Böll: Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral - gekürzt und modifiziert, aber inhaltlich richtig

4.4.05

Arbeit


Menschen, die bloß Arbeiten, finden keine Zeit zum Träumen.
Nur wer träumt, gelangt zur Weisheit.
Smohalla (Nez Perce)